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Rennen

Rückkehr nach Sebring

Nachdem das 499P Le Mans Hypercar beim 1000-Meilen-Rennen von Sebring sein Debüt feiert, blicken wir zurück ins Jahr 1956, als Ferraris erster Antritt auf dieser Strecke mit einem Doppelsieg des Cavallino Rampante endete
Text: Ross Brown

Diesen März kehrt Ferrari mit dem 499P Le Mans Hypercar, einem Hybrid-Power-Modell mit 680 PS und Motorsporttechnik vom Feinsten, in die Königsklasse der FIA Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) zurück. 

Passenderweise wird der 499P beim 1000-Meilen-Rennen von Sebring sein Debüt feiern, dem Eröffnungsevent der FIA WEC 2023 und auf einer Strecke, die seit ihrer Eröffnung Mitte des letzten Jahrhunderts als perfektes Warm-up für das berühmteste Langstreckenrennen von allen gilt: Le Mans.


Ferrari-Legende Juan Manuel Fangio am Steuer eines 860 Monza auf dem Weg zum Sieg: Partner war der Italiener Eugenio Castellotti

Tatsächlich ist der Sebring International Raceway so beeindruckend, dass er zu den drei Strecken der Triple Crown im automobilen Langstreckenrennsport gehört. Die anderen beiden sind das 24-Stunden-Rennen von Daytona und natürlich Le Mans. In den 1950er Jahren war Sebring jedoch noch eine relativ neue Rennstrecke, die nur der Rennsport-Community ein Begriff war. Das sollte sich eines heißen Nachmittags im Jahre 1956 rasch ändern.

Wenn die Sebring-Strecke so aussah, als wäre sie besser für die Landung von Flugzeugen geeignet als für Rennautos, dann liegt das daran, dass das tatsächlich so war. Die langen Betongeraden waren darauf ausgelegt, das volle Gewicht einer 32 Tonnen schweren Boeing Flying Fortress zu tragen, und die leichten, schnellen Open-Top-Rennwagen der 50er Jahre fuhren mit riskanter Ungenauigkeit über die holprige Oberfläche. 

Das Fahren hier war gefährlich und schwierig. Eine Runde auf der 6 Kilometer langen Strecke in der sengenden Hitze Floridas wurde von vielen Teams so anstrengend empfunden wie zwei Runden in Le Mans. Deshalb waren die europäischen Teams, die zu Hause die Mille Miglia und Targa Florio gewinnen wollten, bereit, für ein einziges Rennen in die Vereinigten Staaten zu reisen. 1956 schickten fünf Hersteller ihre Werkswagen zum Rennen hinüber: Ferrari, Maserati, Aston Martin, Porsche und Jaguar. 


Fangio, der hier mit Enzo Ferrari zu sehen war, hatte während des Rennens gegen Mike Hawthorns Jaguar viel Arbeit, die beiden tauschten durchgehend den ersten und zweiten Platz

Vierundsiebzig Autos traten an (vergleicht man das mit den 49 Wagen in Le Mans, kann man die Popularität dieser noch jungen Strecke erahnen), und trotz der neuen Bedrohung durch die Jaguar D-Types war Ferrari gekommen, um zu gewinnen. Zwei der drei Werkswagen, die sie einsetzten, waren vom Modell 860 Monza.

Mit einem 3,4-Liter-Vierzylinder-Reihenmotor unter der Haube, der bis zu 260 km/h erreichen konnte, waren sie Langstrecken-Rennungetüme, die auf den gnadenlosen Straßen der europäischen Berge geschmiedet worden waren. Das dritte Modell war ein 857 Sport, der Vorgänger des 860, der sich seinen Startplatz durch den zweiten Platz beim 1000-km-Rennen von Buenos Aires im Januar desselben Jahres verdient hatte. 

Die Fahrer waren natürlich genauso beeindruckend wie die Autos. Der erste 860 Monza wurde von Juan Manuel Fangio und Eugenio Castellotti gefahren – zwei der größten Rennfahrer aller Zeiten. Der zweite wurde von den F1 Scuderia-Piloten Luigi Musso und Harry Schell gelenkt, der 857 hingegen von Alfonso de Portago und Jim Kimberley, die beide als Langstreckenspezialisten galten. 

Der Ferrari 860 Monza von Luigi Musso und Harry Schell beschleunigt und überholt einen Porsche 550 Spyder: Sie würden im Rennen Zweite werden

Das Rennen begann um 10 Uhr vor den 47.000 Fans, die quer durch das ganze Land gepilgert waren, um die größte Ansammlung europäischer Talente zu erleben, die Amerika je gesehen hatte. Wie alle vorausgesagt hatten, waren die Jaguar D-Types schnell. Mike Hawthorns Jaguar mit Benzineinspritzung startete aus der 8. Position und hatte die führende Chevrolet Corvette in der ersten Kurve überholt.

Am Ende der ersten Runde hatte sich Stirling Moss, der als 28. gestartet war und dessen Naturtalent die Schwächen seines Aston Martin wettmachte, erbittert darum gekämpft, sich direkt hinter ihm einzureihen. Doch Langstreckenrennen werden nicht in der ersten Runde gewonnen, und dahinter klemmte sich Fangio dicht hinter das Steuer seines 860 Monza, drückte voll aufs Gaspedal und begann einen zermürbenden Krieg, der die nächsten zwölf Stunden andauern sollte. 

US-Fahrer Jim Kimberly fährt in seinem Ferrari 857 S mit der Startnummer 19 über die Rennstrecke von Sebring. Ventilprobleme mit dem Motor führten dazu, dass er und sein spanischer Partner Alfonso de Portago nicht ins Ziel kommen konnten

Der Ferrari 857 schied nach sieben Stunden aus, und da Moss ebenfalls ausfiel, blieb es Fangio / Castellotti und Musso / Schell überlassen, sich auf den D-Type von Hawthorn zu stürzen. Fast einen halben Tag lang spielten die beiden Ferraris und der Jaguar bei den Boxenstopps Katz und Maus: Fuhr einer an die Box, übernahm der andere die Führung, und umgekehrt.

So ging das weiter, Stunde um Stunde in der untergehenden Sonne Floridas. Bis, kaum zu glauben, Hawthorns vordere Bremsleitung riss und das Bremsversagen ihn zur Aufgabe zwang. Da der Rest der Meute mehr als ein Dutzend Kilometer zurück lag, konnten die 860er das Rennen seelenruhig beenden. Somit bescherten sie Ferrari den ersten Konstrukteurs-Doppelsieg in Sebring und schlugen Europas beste Fahrer im amerikanischen Hinterhof, um die Scuderia unauslöschlich auf die Weltkarte zu setzen.