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Ferraris schlagendes Herz: der V12-Motor

Beim V12 handelt es sich um Ferraris legendärsten Motor. Seine Geschichte reicht bis ins Jahr 1947 zurück. Er treibt auch den neuen Purosangue an und sorgt hier für eine Leistung, die ihresgleichen sucht
Text: Gavin Green - Video: Oliver McIntyre

Seit 75 Jahren produziert Ferrari V12-Motoren. Sie haben Weltmeisterschaften gewonnen, Ferrari-Besitzerinnen und -Besitzer verzaubert, die schnellsten Autos der Welt angetrieben und sind dabei zum Sinnbild des Verbrennungsmotors geworden. Der erste Ferrari besaß einen V12-Motor, und auch der neueste – der zukunftsweisende Purosangue – ist damit ausgestattet. Es handelt sich um Maranellos berühmteste Motorkonfiguration, ein Markenzeichen, das so viele der Autos von Ferrari auszeichnet.

Ein V12-Motor besteht aus zwei Reihen mit sechs Zylindern und gemeinsamer Kurbelwelle, die in einer V-Form von üblicherweise circa 60 Grad angeordnet sind. Anfangs wurde er in Rennbooten eingesetzt und trieb einige berühmte Flugzeuge aus dem 2. Weltkrieg an, darunter die Jagdflugzeuge Spitfire und Messerschmitt. Vor dem letzten Krieg wurde er von verschiedenen Herstellern von Luxusautos verwendet, darunter Rolls-Royce und Cadillac.


Sehen Sie sich die Geschichte der Entwicklung des Ferrari V12-Motors über 75 Jahre an, von den frühen Rennwagen bis zum neuen Purosangue

Nach dem Krieg begann Enzo Ferrari mit der Arbeit an seinem ersten Ferrari. Die Wahl fiel auf eine V12-Konfiguration.

Warum ein V12? Dieser Motor ist perfekt ausbalanciert und hat daher eine minimale Vibration. Ebenso hat er eine sehr sanfte Leistungsentfaltung.  Aufgrund der feinen Ausbalancierung erreicht er höhere Drehzahlen – unterstützt durch die geringe Größe der einzelnen Zylinder. In der Regel handelt es sich um Motoren mit großem Hubraum, wodurch mehr Luft und Kraftstoff zugeführt werden können, was die Leistung erhöht. Sie waren – und sind – selten, weil sie teuer und kompliziert sind.

Enzo Ferrari wusste, dass sich der V12 gut für Rennen mit Einsitzern und Sportwagen eignen würde – und perfekt für Grand Tourer. Er bot eine große Vielseitigkeit.


Der V12 ist immer noch in vielen springenden Pferden vorhanden, darunter der 812 GTS, der Daytona SP3 und der neue viersitzige Purosangue

Doch für ein neu gegründetes Automobilunternehmen war es ein sehr ehrgeiziges Unternehmen, einen völlig neuen V12 zu entwickeln. Ferrari beauftragte dafür Gioachino Colombo: Dieser war auch der Designer des Achtzylinder-Reihenmotors mit 1,5 Litern, mit dem Alfa Romeo 1950 und 1951 die Formel-1-Weltmeisterschaft gewann. Der neue V12-Motor hatte ein Hubvolumen von 1,5 Litern, um den damaligen Formel-1-Regeln zu entsprechen. Er debütierte 1947 im Sportrennwagen 125 S, dem ersten Auto von Ferrari, und konnte in sechs von dreizehn Rennen Siege erzielen.

Ergänzt durch einen Kompressor trieb er dann 1948 auch Ferraris erstes F1-Auto an, den 125 F1. Bei seinem ersten Rennen, dem Großen Preis von Italien, belegte der Wagen den dritten Platz. Im Jahr darauf kamen zwei obenliegende Nockenwellen dazu – die erste von zahlreichen Überarbeitungen. Der legendäre Colombo-V12-Motor diente bis 1989 als Antrieb zahlreicher Ferraris und erreichte zuletzt ein Hubvolumen von 4,9 Litern.

Einige der spektakulärsten Autos von Ferrari liefen mit dem Colombo-V12-Motor, darunter der Ferrari 250 GT Berlinetta mit kurzem Radstand von 1959, der Ferrari 250 GTO von 1962 und der 365 GTB4 Daytona von 1968. Bei ihm handelt es sich sicherlich um den berühmtesten und langlebigsten V12-Motor der Geschichte.


Der V12 ist zu einem Markenzeichen der Ferrari-Technik geworden und treibt einige der schnellsten und schönsten Autos der Geschichte an

Gioachino Colombo kehrte 1950 zu Alfa Romeo zurück, seine Position als technischer Direktor wurde an Aurelio Lampredi vergeben. Dessen um einiges größere V12-Motoren verhalfen Ferrari zum ersten F1-Sieg (1951 beim Großen Preis von Großbritannien), den ersten beiden Siegen bei den Sportwagen-Weltmeisterschaften der Scuderia (1953 und 1954) und wurden in die eleganten Grand Tourer eingebaut, unter anderem in den 410 Superamerica von 1956.

Der nächste neue V12 brachte Ferrari zwei weitere Sportwagen-Weltmeistertitel ein: 1956 und 1957. Er wurde von Vittorio Jano entworfen, dem Ingenieur hinter den erfolgreichen Rennwagen von Alfa Romeo aus den 1930er Jahren, der ein Freund von Enzo Ferrari war.

Ferraris nächster großer 12-Zylinder-Motor war kein V12. Vielmehr handelte es sich um einen 12-Zylinder-Boxermotor. Er wurde vom neuen technischen Direktor Mauro Forghieri entworfen und trieb Ferraris erfolgreiche F1-Autos der 70er Jahre an, darunter Niki Laudas Weltmeisterautos. Die Straßenversion des 12-Zylinder-Boxermotors sorgte beim legendären 365 GT4 Berlinetta Boxer und dem Testarossa für herausragende Leistung. 


Der neue Purosangue verfügt über einen 6,5-Liter-V12-Sauger mit 725 PS und 716 Nm Drehmoment, der das Auto auf 310 km/h beschleunigt

Für die Formel-1-Saison von 1989 wurde ein neuer V12-Motor mit 3,5 Litern entwickelt, der seinen ersten Renneinsatz mit einem Sieg beenden konnte. Eine 4,7-Liter-Version trieb den Supersportwagen Ferrari F50 an. Mit den Änderungen der Formel-1-Regeln im Jahr 1995 wurde das zugelassene Hubvolumen auf 3,0 Liter gesenkt. Es war Ferraris letzter V12-Motor im Formel-1-Bereich.

Bei den Straßenautos wurde der altgediente Colombo-V12-Motor 1992 durch die F116/F133-Familie ersetzt: Sie trieb den 456 GT, den 550 Maranello und den 612 Scaglietti an. 2002 wurde mit dem F140 ein neuer V12-Motor eingeführt. Er feierte sein Debüt im Supersportwagen Enzo Ferrari. Als Maranellos aktuellster V12-Motor treibt er in der neuen 6,5-Liter-Ausführung den 812 Superfast/GTS, den Daytona SP3 und den neuen Purosangue an.

Er ist für seine Kraft, seine Laufruhe, seinen Klang und seinen Charakter bekannt – ganz wie die anderen V12-Motoren von Ferrari der letzten 75 Jahre.