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Vor 25 Jahren: Schumachers erster Titel mit Ferrari

Text: Ben Barry

Als Michael Schumacher vor 25 Jahren, am 8. Oktober 2000, den Großen Preis von Japan gewann, bedeutete dies mehr als nur einen Rennsieg oder gar seine dritte Weltmeisterschaft – der deutsche Fahrer hatte sich gerade den ersten Formel-1-Fahrertitel der Scuderia seit 21 Jahren gesichert.

Auf seiner Siegesrunde, während der V10-Motor seines Ferrari F1-2000 noch brummte, überschlug sich Schumachers Stimme vor Aufregung, als er über Funk mit dem Technischen Direktor Ross Brawn sprach: ‚Ihr seid großartig, Ross, ihr alle… Wir haben es geschafft, wir haben es geschafft… Ich kann es nicht glauben!‘

Diese Ungläubigkeit war echt, nach vier Saisons voller Frust, die 1999 ihren Höhepunkt fanden – dem Jahr, in dem Ferrari den Konstrukteurstitel holte, Schumacher aber nach einem schweren Unfall in Silverstone länger ausfiel.

Schumacher hatte ‚immer daran geglaubt, wurde aber von Jahr zu Jahr unruhiger‘, wie er es in der Pressekonferenz nach dem Rennen in Suzuka ausdrückte. Selbst als der Weltmeistertitel 2000 in Japan in Reichweite lag, bat Schumacher sein Team, keine Siegesfeier vorzubereiten. Er wagte nicht, zu sehr davon zu träumen.

Seine Entschlossenheit war jedoch ungebrochen. Der amtierende Weltmeister war 1996 durch General Manager Jean Todt von der Scuderia angeworben worden, nachdem er mit Benetton zwei Fahrertitel in Folge errungen hatte. 1997 gesellten sich die Architekten dieses Erfolgs – der ehemalige Technische Direktor von Benetton, Ross Brawn, und Chefdesigner Rory Byrne – dazu. Zusammen haben sie die Geschicke der Scuderia verändert.

Der Sieg in Suzuka 2000 – und der Gewinn des Fahrertitels in diesem Jahr bereits eine Runde vor Schluss

Dass Ferrari 1999 trotz Schumachers Verletzung den Konstrukteurstitel gewann, war ein Warnschuss an die Konkurrenz (Eddie Irvine hatte einen großen Anteil daran, und Mika Salo war ein sehr fähiger Ersatzmann), und als die Scuderia zu Beginn der Saison 2000 nach Australien zurückkehrte, tat sie dies mit einem rundum fitten Schumacher, dem frisch unter Vertrag genommenen Rubens Barrichello und dem stark verbesserten Einsitzer F1-2000.

Der F1-2000 unterschied sich deutlich von seinen Vorgängern und schien Schumachers fanatische Liebe zum Detail zu verkörpern. An seiner Aerodynamik wurde im Windkanal unermüdlich gefeilt, und es wurde jede Gelegenheit genutzt, um den Schwerpunkt zu senken (und damit das Handling zu verbessern): Die V-Form des 3,0-Liter-V10-Motors wurde von 80 auf 90 Grad vergrößert, um mehr Masse auf den Asphalt zu bringen; Sogar die Bremssättel griffen unten in die Scheibe, nicht an der Seite.

Die ersten drei Rennen in diesem Jahr stellten die Weichen für eine absolute Dominanz, mit dem Maximum von zehn Punkten in Australien, Brasilien und San Marino. Als er auf dem Nürburgring auf nasser Strecke siegte, hatte Schumacher bei noch 11 ausstehenden Rennen des 17-Rennen-Kalenders ein 18-Punkte-Polster auf den amtierenden Weltmeister und McLaren-Piloten Mika Häkkinen auf Platz zwei aufgebaut.

Doch Schumacher wusste nur zu gut, dass er die Widerstandsfähigkeit seines Rivalen nicht unterschätzen durfte und sich die Renngötter schnell gegen ihn wenden konnten. Was sie dann auch bald taten. Ein Motorschaden zwang Schumacher nicht nur zur Aufgabe beim neunten Rennen in Magny Cours, sondern läutete auch drei Ausfälle in Folge ein. Als Häkkinen in Ungarn gewann, lag der Finne fünf Runden vor Schluss nur noch knapp auf Platz eins der Meisterschaft.

[Von links] Australien startet optimal in die Saison; meistert die nassen Bedingungen auf dem Nürburgring; ein Sieg in Monza beendet ein Tief zur Saisonmitte; Häkkinen gratuliert seinem großen Rivalen

Passenderweise war Monza der Startschuss für die Aufholjagd: Ein Sieg auf heimischem Boden und ein weiterer beim nächsten Rennen in den USA brachten Schumacher einen Vorsprung von acht Punkten in der Meisterschaft ein. Das bedeutete, dass der Titel in der vorletzten Runde in Japan zum Greifen nahe war – ein Sieg würde Gewissheit schaffen, selbst wenn Häkkinen Zweiter werden sollte, im gegenteiligen Fall würde die Entscheidung über den Titel erst in Malaysia fallen.

Doppelweltmeister Häkkinen kämpfte mit allen Mitteln, um im Rennen zu bleiben. In Suzuka wechselten die beiden einander im Qualifying mit den schnellsten Runden ab, bevor Schumacher sich die Pole Position mit einem Vorsprung sicherte, der so gering war, dass die Stoppuhr ihn kaum registrierte – nur neun Tausendstelsekunden auf der 5,864 km langen Strecke in Form einer Acht.

Doch als Häkkinen in Kurve 1 in Führung ging und diese bis weit über die Halbzeit des Rennens hinaus behielt, schien es, als würde die Meisterschaft bis zum Schluss spannend bleiben. Es war der zweite Boxenstopp, der sich als entscheidend erwies – Häkkinen kam zuerst an die Box, hatte aber mit den nassen Bedingungen und Verkehr zu kämpfen, während Schumacher den Vorteil nutzte, als er ein paar Runden später aus der Boxengasse kam.

Häkkinen verfolgte Schumacher in den verbleibenden Runden und verringerte dessen fünf Sekunden Vorsprung, doch der Ferrari-Pilot behielt die Nerven. So überquerten die beiden die Ziellinie nach 53 Runden mit nur 1,8387 Sekunden Abstand. Die Menge – ein Regenbogen aus Ponchos auf den Tribünen – erhob sich, während die Fanfaren die historische Schlacht, die sich gerade vor ihnen abgespielt hatte, würdigten.

Schumacher feiert mit dem Team, das er zurück zum Titel geführt hat. Jean Todt, Ross Brawn und Teamkollege Rubens Barrichello sind hier rechts von ihm abgebildet

Jean Todt war der erste, der den frischgebackenen F1-Weltmeister in Empfang nahm, als dieser in die Box rollte und noch im Cockpit versuchte, seiner Gefühle Herr zu werden, wobei seine Brust unter dem scharlachroten Overall sichtlich bebte. Dann kamen die Glückwünsche von Rubens, eine Umarmung von Mika – ‚der am meisten Respektierte in all den Jahren‘, so Schumacher über ihre Rivalität und Freundschaft Jahre später – bevor Michael schließlich seinen Helm abnahm und vor Freude die Fäuste ballte. Es gab einen Kuss für Ehefrau Corinna und Umarmungen für jedes Mitglied des Teams, das er so sehr inspiriert hatte und das ihn in den erfolglosen Jahren so loyal unterstützt hatte.

Die Siegesfeier? Wir werden improvisieren, lächelte ein freudig erregter Schumacher.

Dieser Sieg in Japan öffnete das Tor zu weiteren Erfolgen: Die Scuderia gewann bis 2004 jeden Fahrer- und Konstrukteurstitel und Schumacher holte den Rekord von sieben Meisterschaften – ein Rekord, den er nun mit Lewis Hamilton teilt.

Aber von all seinen 91 Siegen in seiner Karriere war dieser ausschlaggebende Sieg in Suzuka der bedeutungsvollste. In einem Interview, das Ende 2013 auf seiner persönlichen Website veröffentlicht wurde, äußerte sich Schumacher: ‚Der emotionalste? Definitiv 2000 in Suzuka mit Ferrari. 21 Jahre lang kein Titel erreicht und selber auch schon viermal gescheitert mit Ferrari zusammen und dann endlich diesen Sieg und damit auch die Meisterschaft gewonnen, das war ein ganz spezieller Moment.‘

Fünfundzwanzig Jahre später bleibt Schumachers erster Titel einer der inspirierendsten Momente in der Geschichte der Scuderia Ferrari – und eine Erinnerung daran, dass die erfolgreichste Ära von Maranello nicht ohne Kampf vonstatten ging.