Alessio Viola
Rossi nimmt Kurs auf Maranello
Die Rennrekorde von Valentino Rossi sprechen für sich: Neun Motorrad-WM-Titel hat bisher noch keiner überboten. In den frühen 2000er Jahren gab es viele Gerüchte, dass er von der MotoGP in die Formel Eins wechseln könnte. Er testete sogar mit Ferrari in Maranello, und obwohl er sich schließlich für die Zweiräder entschied, sind die Erinnerungen an seinen Ausflug in die Welt der vier Räder geblieben.
Deshalb brauchte er bei seiner Rückkehr nach Fiorano keine Anweisungen. „Ich erinnere mich“, sagt er ohne zu zögern. „Es reicht aus, wenn ich weiß, auf welchem Streckenabschnitt man wegen des Lärms den Fuß vom Gas nehmen muss…“
Rossi ist nicht in Fiorano, um ein Formel 1-Auto zu fahren, sondern um ein Modell zu testen, das für viele gleich danach kommt – den neuen Ferrari 488 Pista. Im straßengängigen Sportwagen steckt das Know-how von der Rennstrecke. Testfahrer Salvatore Prestigiacomo gibt Rossi eine kurze Einführung in das Auto, bevor dieser hineinspringt und seinen neuen unverkennbaren Helm mit mexikanischem Motiv aufsetzt.
Salvatore setzt sich neben den Dottore – wie Rossi in Italien genannt wird – und die beiden machen sich auf zu einer Installationsrunde. Ganz Profi, geht Rossi ruhig an die Sache heran, spürt den Wagen und bekommt ein Auge für die Linien. Dann passiert er die Startlinie, um seine erste Runde zu fahren, und erhöht sofort das Tempo. Rossi und der 488 Pista sind auf einer Wellenlänge. Weiter geht's.
Der Pista ist so kommunikativ, er kann alles außer sprechen. Rossi sagt auch nicht viel und konzentriert sich in der Stille – das Geräusch des aufheulenden V8 wird nur von einem lauten Gelächter nach einem weiteren glorreichen Drift unterbrochen.
Der 488 Pista hat 720 PS, aber der Anreiz für Rossi ist das magische Chassis des Wagens, das mit geheimer Technik aus der Formel 1 durchdrungen ist. Ein Beispiel für Balance und Gleichgewicht, und der Rennchampion ist mit ihm geradezu verschmolzen. Salvatore kann ihm nichts beibringen: Er springt heraus und freut sich sichtlich, den Rennfahrer bei der Arbeit zu beobachten.
Runde um Runde vergehen, und Rossi pusht immer weiter. Schließlich fährt er schweren Herzens zurück an die Box. Salvatore öffnet die Tür. „Geil!“ ruft der Dottore. Die Ingenieure, die so viel Zeit mit der Entwicklung des 488 Pista verbracht haben, versammeln sich, um sein Urteil zu hören.
„Den Turbo kann man vergessen, den spürt man nicht einmal.“ Der V8 ist wie „ein Saugmotor mit verdammt viel PS“. Attilio Pietroni, der den Motor konstruiert hat, strahlt vor Stolz übers ganze Gesicht.
Stefano Varisco leitete die Entwicklung der Aerodynamik, und erklärt Rossi ein paar Details – den S-Duct auf der Fronthaube, den Motor-Kühlluft-Kanal in der Nähe der Rücklichter. Stefano kommt zum Diffusor; er und Valentino legen sich auf den Boden, um ihn genauer unter die Lupe zu nehmen. Von den Details kann er gar nicht genug kriegen.
In Valentinos Garage steht ein 458 Italia. Das Funkeln in seinen Augen, als er den 488 Pista betrachtet, deutet darauf hin, dass er bald Gesellschaft von Ferraris neuestem Motorsport-inspirierten Sportwagen bekommen könnte. Rennfahrer wollen immer das Neueste, das Beste. Der erfolgreichste Motorradrennfahrer aller Zeiten wird jetzt sicher alles daran setzen, um einen eigenen 488 Pista zu bekommen…