Leidenschaft
Leb wohl, Andrea de Adamich
Maranello, 5. November 2025 – Andrea de Adamich ist im Alter von 84 Jahren verstorben. Als raffinierter und vielseitiger Vertreter des italienischen Motorsports, in Triest geboren und von Natur aus Kosmopolit, war er zwischen den 1960er und 1970er Jahren an einigen der intensivsten Kapitel der Rennsportgeschichte beteiligt. Von Siegen mit Alfa Romeo bei Touren- und Sportwagenrennen bis hin zu seinen Saisons in der Formel 1 – einschließlich seiner Zeit am Steuer eines Ferrari – verkörperte de Adamich den Geist einer Zeit, in der Mut und Eleganz auf und neben der Strecke kein Gegensatz waren.
1968 gab er sein Formel-1-Debüt bei der Scuderia Ferrari. Er nahm an vier Grands Prix teil und trug gleichzeitig zu den Bemühungen des Cavallino Rampante im Sportprototypen-Rennsport bei. Im darauffolgenden Jahr feierte er mit dem Gewinn der Temporada Argentina-Rennserie der Formel 2 einen prestigeträchtigen internationalen Erfolg und bestätigte damit seine Vielseitigkeit und seine Kombination aus technischem Können und Renninstinkt.
Seine Fahrerkarriere wurde 1973 durch einen schweren Unfall in Silverstone abrupt beendet, aber seine Leidenschaft für den Motorsport ließ niemals nach. Andrea blieb dank seiner Arbeit als Fernsehkommentator und der Gründung einer der renommiertesten Fahrschulen Europas jahrzehntelang eine maßgebliche Stimme und ein bekanntes Gesicht in der Formel 1.
In Erinnerung an ihn drucken wir noch einmal ein Interview ab, das er vor einigen Jahren, anlässlich seines 80. Geburtstages, gegeben hatte – ein Gespräch, das die Klarheit, das Wissen und die Leidenschaft, die ihn stets geprägt haben, perfekt widerspiegelt.
Auf italienisch nannte man sie „cavalieri del rischio“ - Ritter des Risikos: Die Fahrer der 1960er und 1970er Jahre, die, kaum dass sie ihren Helm aufgesetzt hatten, die Gefahren der ebenso gefürchteten wie spektakulären Rennstrecken zu verachten schienen, und das bei irrwitzigen Durchschnittsgeschwindigkeiten. Sie lebten Kurve für Kurve, Gerade für Gerade.
Mehr als 60 Jahre Leidenschaft für Autos, Rennsport und Sicherheit schlagen die Brücke vom „Ritter des Risikos“ zum Gründer des Centro Internazionale Guida Sicura (Internationales Zentrum für sicheres Fahren). 1967, im Alter von 26 Jahren, begegnete er Ferrari. Zwei italienische Fahrer, de Adamich und Ignazio Giunti, standen nach dem tragischen Tod von Bandini in Monte Carlo als Ersatzfahrer zur Debatte.
Die Gefahren, denen Andrea beim Rennfahren ausgesetzt war, veranlassten ihn zur Gründung des Internationalen Zentrums für sicheres Fahren
‚Ich kam vom Jolly Club‘, beginnt de Adamich, ‚Giunti war hingegen in einer anderen Lage. In Vallelunga wurde ein einstündiges Rennen mit den Prototypen der 2000er Klasse organisiert. Ingenieur Chiti schickte zwei Alfa 33, die gerade ihr Debüt gegeben hatten. Ich war im Qualifying schneller und gewann das Rennen mit großem Vorsprung. Das blieb nicht unbemerkt: Enzo Ferrari ließ mich nach Maranello kommen.
‚Wir vereinbarten einen Test im Aerautodromo di Modena. Ich stieg in das Cockpit von Chris Amons 312, allerdings ragte mein halber Oberkörper nach draußen, weil die Pedale nicht auf meine Körpergröße eingestellt werden konnten. Der Alfa Romeo TZ2 hatte 170 PS und war das stärkste Auto, das ich bis dahin gefahren hatte. Es ist unvorstellbar, wie groß der Leistungssprung zwischen diesem GT und einem Rennwagen war! Ich wurde durch die Luft gewirbelt, war unfähig, richtig zu schalten, und in der dritten Runde dachte ich mir: „Dieser Job ist nichts für mich.“ Aber ich fuhr wirklich schnell.
‚Nach dem Test prüfte mich Ferrari in Monza auf Herz und Nieren. Dort fuhr ich das Auto, mit dem Amon üblicherweise am italienischen Grand Prix teilnahm. Diesmal war das Cockpit für mich angepasst worden und ich konnte eine um vier Zehntel schnellere Runde fahren als der Neuseeländer im Qualifying. Beim nächsten Test in Vallelunga gelang mir ein Streckenrekord und damit öffneten sich die Türen zu meinem ersten Formel-1-Rennen in Jarama, einem Rennen, das nicht zur Weltmeisterschaft zählte.‘
Und der erste offizielle Grand Prix?
‚Folgte unmittelbar danach, in Südafrika. Ich fuhr für Ferrari und hatte Chris Amon und Jacky Ickx als Teamkollegen. Ich nahm es mit Kyalami auf, ohne die Strecke jemals gesehen zu haben, aber im Qualifying war ich immer noch 2 Zehntel schneller als Amon und um 1"3 schneller als Ickx, und das mit demselben Rennwagen. Es lief gut, aber dann konnte ich einer Ölspur hinter einem Auto nicht ausweichen. Ich hatte einen Dreher, prallte mit der Radaufhängung gegen die Leitplanken und musste aufgeben.‘
Die Fahrer der 60er und 70er Jahre waren als die Ritter des Risikos bekannt
Heute wie damals glauben die Fahrer, dass sie sich ans Steuer der sichersten Autos der Welt setzen. Wie war das damals?
‚Alle Fahrer waren überzeugt, dass sie beim Fahren keine Fehler machen würden. Die Sorge galt eher einem eventuellen technischen Versagen, auch weil die mechanischen Komponenten noch nicht so zuverlässig waren wie heute. Bei den Straßenautos war es nicht viel anders. Es gab keine Sicherheitsgurte, keine modernen Stoßfänger für den Fall eines Unfalls: Es war eine Welt, die wir heute nur schwer akzeptieren würden.‘
Sicherheit ist Ihnen so wichtig, dass Sie das Centro Internazionale Guida Sicura gegründet haben.
‚Diese Initiative wurde ins Leben gerufen, nachdem Fiat Alfa Romeo gekauft hatte. Damals lernte man in den Kursen, wie man Rennen fährt, aber nicht, wie man sicher fährt. So begann das Projekt zur Förderung des „sicheren Fahrens“, das in Varano sein perfektes Zuhause gefunden hat. Dort gab es die idealen Voraussetzungen, um sicherzustellen, dass sich die Fahrer in aller Sicherheit darauf konzentrieren konnten, das Fahrzeug zu lenken. Der sofortige Erfolg der Initiative übertraf unsere Erwartungen bei weitem.‘
Andrea de Adamich traf 1967 im Alter von 26 Jahren auf Ferrari und beeindruckte sofort mit dessen Geschwindigkeit
Wie kam die Zusammenarbeit mit Ferrari zustande?
‚Luca di Montezemolo, der damalige Vorstandsvorsitzende, sah den Erfolg der Kurse, die für Alfa Romeo veranstaltet wurden. Er lud mich zu einem Treffen ein und bat mich, ein Projekt aufzubauen. Der Kurs begann 1993 unter dem Namen Corso Pilota und war für Ferrari-Kunden gedacht. Wir waren in Fiorano, in einer Einrichtung, in der man in aller Sicherheit und Ruhe üben kann, betreut von Ausbildern, die ihre Erfahrung gerne in den Dienst der Teilnehmer stellen.‘