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Primärfarben

03 luglio 2019

Riccardo Falcinelli

Ein führender Grafikdesigner erforscht, wie gewisse Farbtöne schon lange dazu dienen, aufzufallen. Und zu verführen


Enzo Ferrari war überzeugt, dass jedes Kind auf die Aufforderung hin, ein Auto zu zeichnen, ein rotes malen würde. In der Tat ist Ferrari-Rot zu einem mentalen Modell geworden, zu einer Farbe an und für sich. Ja, beinahe zu einer Art und Weise, wie wir an die Farbe Rot denken. Gewiss, es gab auch rote Maserati und rote Alfa Romeo, doch keiner von ihnen erlangte kulturell denselben symbolischen Status. Was hat es mit einer Farbe auf sich, die sich in die kollektive Vorstellung einprägt? Warum existiert Ferrari-Rot, aber kein Mercedes-Grau? In der Moderne dienen Farben zur Unterscheidung: Coca-Cola ist rot, also ist Pepsi Cola blau. Farben tragen ein ganzes System an Ideen und Werten in sich.

Vor einigen Jahren haben amerikanische Marktforscher eine Studie mit Büroangestellten durchgeführt, in der diesen zwei Arten von Stiften angeboten wurden: einer gelb, der andere grün. Eine Woche später bevorzugte die Mehrheit die gelben Stifte und beanstandete, dass die grünen Stifte schwierig zu spitzen seien und zu leicht brächen. In Wahrheit waren die beiden Stifte identisch. Der Grund für die Präferenz war einfach: Seit 150 Jahren waren die meistverkauften Stifte gelb. Deshalb wurde Gelb zur bevorzugten Stiftfarbe. 

Außerdem rufen Farben oft eine bestimmte Idee, eine Erwartung hervor. Bestimmte Farben werden zum Synonym des Gegenstandes, der sie trägt – das geht so weit, dass man sich diese nur schwer in einer anderen Farbe vorstellen kann. Der gelbe Stift ist in unseren Köpfen mehr Stift als alle anderen, sogar so sehr, dass wir davon überzeugt sind, dass er sich besser spitzen lässt als ein grüner.

Manchmal kommt es einfach nur darauf an, was zuerst da ist. 1998 verkörperte der erste iMac von Apple die Design-Avantgarde, folglich waren auch seine durchscheinenden und hellen Farbtöne neu. Der iMac war bekannt für seine unnatürlichen, irisierenden Farbtöne: Hard Stone, Brilliant Mandarin, Enamalled Green. Außerdem ein tiefes Blau, das Apple „Bondi Blue“ taufte – wie das Meer am Bondi Beach von Sydney. Als dann alle begannen, bunte Computer zu produzieren, fokussierte sich Apple stattdessen - abermals um hervorzustechen - auf Minimalismus: All-White, Black, Silver.

Auf ähnliche Weise wählte 1845 Charles Lewis Tiffany, der berühmte Juwelier aus New York, einen Türkiston für seine Katalogumschläge. Von diesem Moment an wurde dies zum Unterscheidungsmerkmal der Marke. Obgleich es sich um die Farbe der Eier von amerikanischen Drosseln handelt, geht die Wahl auf den unter viktorianischen Bräuten verbreiteten Brauch zurück, ihren Hausangestellten eine Brosche mit türkisem Stein zu schenken. Etwas Ähnliches ist mit den Autos passiert. Seit beinahe einem Jahrhundert ist die Farbe Rot ein Synonym für Geschwindigkeit und sportlichen Stolz. 

In den 1920ern bestimmte die Obrigkeit, dass italienische Autos bei offiziellen Wettbewerben in der Farbe „Rosso Corsa“ antreten sollten. Beim Sport ist ein einfaches Wiedererkennen wichtig. Deshalb wurde in frühen Regeln festgelegt, dass französische Teams in der Farbe Blau, deutsche in der Farbe Weiß, britische in der Farbe Grün und belgische in der Farbe Gelb in Rennen starten sollten. Die Farbe Rot sticht mehr als alle anderen hervor, sie verschafft sich Raum und ist schon von Weitem her sichtbar. Vielleicht neigen Menschen aus diesem Grund dazu, die Farbe im Alltag zu meiden – in städtischem Umfeld kleiden sich nur wenige in Rot.

Wenn wir also fragen „Warum funktionieren manche Farben besser als andere?“, müssen wir die Frage von hinten her aufrollen. Ferrari-Rot war nicht deswegen erfolgreich, weil ein besserer Farbton als für die anderen Rennfahrer gewählt worden war, sondern - im Gegenteil - weil der sportliche Erfolg über viele Jahre die Farbe Rot mit einer gewissen Bedeutung und einer Reihe an Werten aufgeladen hat.

So ist das mit verschiedenen erfolgreichen Marken geschehen. Es gibt viel Schwarztöne, aber nur einer ist Chanel; es gibt diverse Türkistöne, aber nur einer ist Tiffany. Schlaues Marketing kann nicht einfach die richtige Farbe wählen. Stattdessen ist es der anhaltende Erfolg, der Farben mit den mit ihm verbundenen Werten auflädt.

 

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