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Stammbäume: Ferraris mit Flat-12-Motor
Die 1960er Jahre leiteten die Ära der Mittelmotor-Ferrari ein – Phil Hill gewann 1961 die F1-Weltmeisterschaft im 156 F1, die Mittelmotor-Modelle des 250 sicherten sich drei aufeinanderfolgende Le-Mans-Siege und sogar das Straßenauto Dino platzierte seinen Motor 1967 in der Mitte. Doch Ferraris Flaggschiff mit V12-Motor – der 365 GTB/4 ‚Daytona‘ – blieb bis in die 1970er Jahre trotzig mit Frontmotor ausgestattet.
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Dann debütierte der Formel-1-Wagen 312 B für die Saison 1970, mit Mauro Forghieris neuem Flat-12-Motor hinter seinem Fahrer. Natürlich war er leistungsstark, aber der 3,0-Liter-Flat-12-Motor bot noch einen weiteren Vorteil. Anstatt die Zylinder V-förmig anzuordnen, ordnete Forghieri sie flach an, wie ein in der Mitte aufgeschlagenes Buch. Das verringerte das Gewicht im Chassis und sorgte für eine bessere Balance.
Mit den Flat-12-Motoren von Ferrari gewann die Scuderia vor einem halben Jahrhundert mehrere Weltmeistertitel – und sie bildeten den perfekten Nimbus für eine neue Generation von Ferrari-Straßenautos mit Flat-12-Motor.
Der 365 GT4 BB war Ferraris erster 12-Zylinder-Mittelmotor-Straßenwagen – und der erste straßenzugelassene Zwölfzylinder-Boxermotor
1973 - Ferrari 365 GT4 BB
Der 365 GT4 BB sorgte bei seinem Debüt auf dem Turiner Autosalon 1971 für Aufsehen – noch vor dem Produktionsbeginn im Juni 1973. Er war um einen Stahlrohrrahmen mit Doppelquerlenkeraufhängung und doppelten Stoßdämpfern hinten herum gebaut und verfügte über ein spektakuläres Pininfarina-Styling, das in einer Stahlkarosserie mit klappbaren Aluminiumplatten zum Ausdruck kam. Zu den markanten Merkmalen gehörten der kontrastierende schwarze Lack unterhalb der Sickelinie, ein über die gesamte Breite reichender Kühlergrill in ‚Eierkarton‘-Form und Fünfspeichen-Leichtmetallfelgen.
Alles außer dem ‚GT‘ im Namen bezog sich auf den neuen 365 PS starken Flat-12-Motor. ‚365‘ war ein Hinweis auf den Hubraum jedes Zylinders, was insgesamt denselben Hubraum von 4390 cm³ wie beim vorherigen V12 ergab, während ‚4‘ die Abkürzung für vier riemengetriebene Nockenwellen war.
‚BB‘ – für Berlinetta Boxer – war eine kleine künstlerische Freiheit. Der Flat-12-Motor war kein echter Boxermotor, bei dem sich die Kolben wie Faustschläge bewegen; vielmehr handelte es sich um einen 180-Grad-V12, bei dem sich gegenüberliegende Kolben wie synchronisierte Fäuste bewegten.
Es dauerte bis 1973, bis das Fahrzeug auf die Straße kam, doch innerhalb von drei Jahren wurden fast 400 Stück verkauft – sogar mitten in der Ölkrise.
Der Name des 512 BB bezog sich auf seinen Motor und seine Karosserie – einen 5,0-Liter-Berlinetta-Boxermotor mit Zwölfzylinder-Boxermotor
1976 - Ferrari 512 BB
Die wohl größte Veränderung beim 512 BB war sein vereinfachter Name – er bezog sich nun direkt auf Hubraum und Zylinderzahl. Wer auf Schlagzeilen aus war, dürfte vom neuen 4943-cm³-Motor enttäuscht gewesen sein – die Leistung sank schließlich auf 360 PS–, doch die Fahreigenschaften wurden deutlich verbessert: Die Spitzenleistung wurde bei niedrigeren Drehzahlen erreicht, ergänzt durch mehr Drehmoment und eine sanftere Leistungsabgabe.
Die optischen Änderungen beschränkten sich im Wesentlichen auf einen neuen Frontspoiler und am Heck auf einen Wechsel von drei Rückleuchten und Auspuffanlagen zu großen Doppellichtern und Doppelauspuffanlagen – letztere wurden durch neue NACA-Kanäle direkt vor den hinteren Leichtmetallfelgen gekühlt.
Bis 1981, als im Zuge der immer strengeren Emissionsvorschriften der aktualisierte 512 BBi eine Kraftstoffeinspritzung hinzugefügt wurde (wenn auch keine zusätzliche Leistung), wurden insgesamt 929 Stück verkauft.
Die seitlichen Einlässe mit Lamellen kennzeichneten den Testarossa und trugen zur Kühlung der nach hinten verlegten Kühler bei
1984 - Ferrari Testarossa
Der Testarossa machte den größten Sprung seit dem 365 GT4 BB – und wurde mit seinen streifenförmigen Lufteinlässen und der schulterpolsterartigen Heckpartie zum Symbol der Exzesse der 1980er Jahre. Passenderweise feierte der Testarossa sein Debüt im Nachtclub Lido auf den Champs Élysées in Paris.
Der neue Look von Pininfarina war nicht ausschließlich vom Styling bestimmt. Der Motor wurde durch neue Wasserkühler gekühlt, die sich in der Nähe der Hinterräder und nicht hinter den Scheinwerfern befanden – eine funktionale Anforderung, die zur unverwechselbaren Ästhetik des Testarossa führte.
Auch der Flat-12-Motor selbst wurde verbessert, vor allem mit vier Ventilen pro Zylinder – bei der Markteinführung hatte kein anderer Seriensportwagen mehr Leistung als seine 390 PS.
Natürlich waren die Zylinderkopfhauben in Anlehnung an die Testarossas oder ‚rote Köpfe‘ der Jahrzehnte zuvor rot lackiert, doch durch die Anordnung des Flat-12-Motors waren sie ziemlich versteckt in den Tiefen des Motorraums. Ferraris Lösung? Auch die Ansaugkrümmer oben am Motor wurden rot markiert.
Starke 428 PS waren die Schlagzeile, doch auch der 512 TR erhielt umfangreiche Fahrwerksoptimierungen
1991 - Ferrari 512 TR
Nach dem Testarossa brachte der 512 TR im Jahr 1991 eine sanfte Weiterentwicklung. Das Äußere wurde für eine bessere Aerodynamik mit einem neuen Gesicht im Stil des 348 optimiert, während der Innenraum für höheren Komfort und bessere Ergonomie neu gestaltet wurde.
Zu den wesentlichen Änderungen gehörte die 30 mm tiefere Montage des Flat-12-Motors und des Getriebes im Fahrgestell, wodurch die Gewichtsverteilung verbessert wurde. Der TR hatte außerdem eine breitere Vorderspur und eine schmalere Hinterspur, was die Agilität dezent verbesserte, sowie größere Bremsen.
Mit einer Leistungssteigerung von 38 bis 428 PS – dank überarbeiteter Zylinderköpfe, verbesserter Kolben und neuer Kraftstoffeinspritzung – bot der 512 TR für den Fahrer deutlich mehr Attraktivität.
Die Klappscheinwerfer verschwanden beim F512 M – dem letzten Ferrari-Zwölfzylinder-Boxermotor vor dem 550 Maranello
1994 - Ferrari F512 M
Der F512 M – M steht für ‚modificato‘ oder modifiziert – stellt sowohl das Ende als auch den Höhepunkt der Flat-12-Motoren-Linie dar. Das neue Modell verfügte über verkleidete Scheinwerfer für eine verbesserte Aerodynamik, eine verbesserte Kabine und eine auf 440 PS gesteigerte Leistung – kein Ferrari-Straßenauto mit Flat-12-Motor hatte jemals mehr PS.
Das Suffix ‚M‘ fügt der Geschichte zudem eine angenehme Rundheit hinzu – es wurde in den frühen 1970er-Jahren bei den Ferrari-Sportwagen mit Flat-12-Motor verwendet und kennzeichnete damals die Weiterentwicklung des 512 S zum 512 M. Als das Kapitel der Straßenautos zu Ende ging, zollte der F512 M seinen Wurzeln Tribut.
Mit dem darauffolgenden 550 Maranello – der schneller, aerodynamischer und praktischer war als der F512 M, den er ersetzte - kehrte Ferrari zu den V12-Front-Mittelmotoren zurück. Dank der Fortschritte bei der Federung und den Traktionskontrollsystemen war das Handling genauso gut wie bei einem Mittelmotor-Modell.
Diese Linie lebt mit dem 12Cilindri bis heute weiter, doch die Modelle mit Flat-12-Motoren gehören nach wie vor zu den legendärsten Ferraris aller Zeiten.