Leidenschaft
Ferrari bringt sein Rennsporterbe auf hohe See
Zwei Steuerräder, Platz für mehr als acht Passagiere, eine Länge von über 30 Metern und die Fähigkeit, in die Luft zu steigen – Maranello entwickelt einen Ferrari, der seinesgleichen sucht. Wir sprechen von „Hypersail“, dem ersten Vorstoß der Marke in die Welt der Hochseeregatten.
Das futuristische Yachtprojekt – erstmals im letzten Sommer angekündigt – wurde in Maranello im Rahmen einer Sonderveranstaltung mit italienischer und ausländischer Presse vorgestellt. Gastgeber waren der Ferrari Executive Chairman John Elkann, der weltbekannte italienische Solosegler und Hypersail Team Principal Giovanni Soldini, der Chief Technology Officer Matteo Lanzavecchia und Marco Ribigini, Team Leader.
Warum dieser Einstieg in die Welt des Segelsports? Elkanns Antwort: „Weil wir es einfach tun mussten. Denn was treibt Ferrari an? Es geht um Leidenschaft und Kompetenz im Dienste des Unmöglichen.“ Nach einigen näheren Ausführungen zur Idee hinter dem Projekt fügte er hinzu, dass es die Rennsportidentität von Ferrari stärken werde, da das Unternehmen so eine andere Art von Langstreckenrennen für sich entdecken könne. Denn das Hochseesegeln ist die wohl extremste Form des Langstreckenrennens: Alles kann passieren, überall, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Es gibt keine Pace Cars und keine Boxencrews in der Nähe, die helfen könnten.
Das Enthüllungsvideo des Hypersail-Projekts bietet verlockende Einblicke in die vollständig Segelyacht und enthüllt Designelemente, die von Ferraris Hypercars inspiriert sind
„Hypersail ist eine neue Herausforderung, die uns anspornt, unsere Grenzen zu überwinden und unseren technologischen Horizont zu erweitern“, so Elkann. „Gleichzeitig treten wir in die Fußstapfen der Ferrari-Tradition, indem wir uns von unserem Hypercar inspirieren lassen, mit dem wir seit unserer Rückkehr zum Langstreckenrennsport im Jahr 2023 drei Jahre in Folge die 24 Stunden von Le Mans gewonnen haben.“
Außerdem, so fügte er hinzu, „stärkt dieses neue Abenteuer unsere Rennsport-DNA, wie es auch schon bei unserem Einstieg mit dem Hypercar in den Langstreckenrennsport der Fall war. Langstreckenrennen sind seit der Gründung des Unternehmens durch Enzo Ferrari fester Teil der DNA von Ferrari.“
„Ich bin glücklich und fühle mich geehrt, bei diesem Abenteuer dabei zu sein“, so Soldini, der – neben seinen anderen Aufgaben als Hypersail Team Principal – eine Schlüsselrolle bei der Auswahl der Segelcrew spielt. „Es handelt sich um eine spannende Herausforderung, die auf ein wirklich einzigartiges Team zählen kann. Die Exzellenz von Ferrari in Verbindung mit der Arbeit von Konstrukteuren aus dem Hochseesegelbereich ermöglicht es, die Grenzen der Technologie zu überwinden … Aus nautischer Sicht ist diese Yacht äußerst innovativ, sowohl in ihrer Bauweise als auch in der Art und Weise, wie sie über das Wasser gleitet. Bei den Systemen entwickelt Ferrari Steuerungssysteme, wie man sie nie zuvor an Bord gesehen hat.“
Ferrari hält den Standort des Schiffbauers vorerst geheim, damit die Konstrukteure ungestört arbeiten können
Auf die Frage, welche Elemente das neue Projekt mit Ferraris Luxus-Supersportwagengeschäft und der führenden Rolle des Unternehmens im Rennsport gemeinsam habe, antwortet Maranello, dass die Gesetze, die für die Leistung von Autos und Booten verantwortlich sind – Aerodynamik, Hebelkraft und Lastmanagement – in beiden Welten gleich sind. Auch bestimmte Technologien – beispielsweise Carbonfaser und Batterien – können von Hypersail auf die Limousinen und Cabrios von Ferrari übertragen werden, darunter auch das mit großer Spannung erwartete (und erste) vollelektrische Auto des Cavallino Rampante.
Matteo Lanzavecchia wies außerdem darauf hin, dass es zahlreiche Möglichkeiten für den Technologietransfer zwischen Sportwagen und Segelyachten gibt, darunter Design, Energiemanagement und Systemintegration. „Der vordere Teil der Yacht ist sehr klein, was die aerodynamische Leistung verbessert“, sagte er und erklärte, dass das Boot dieses Merkmal mit dem Supercar F80 teilt. Zudem fügte er hinzu, dass für das Projekt bereits neun Patenten angemeldet wurden.
Eine der größten Herausforderungen sei die Stabilität des Bootes, so Soldini. Und hier ist das Know-how von Ferrari entscheidend. Marco Ribigini erklärte: „Dieses Boot ist sehr komplex. Bei wachsender Geschwindigkeit wird der Einrumpf durch die Foils über das Wasser gedrückt, wodurch das Boot insbesondere bei hohem Seegang und starkem Wind in eine sehr instabile Lage gerät. Mithilfe der Software zur Steuerung der Aufhängung unserer Autos konnten wir einen Algorithmus entwickeln, der das Boot stabil hält und Giovanni die volle Kontrolle über das Boot gibt.“ Ferraris Engagement für das Projekt zeigt sich auch an der Zahl der Mitarbeiter, die in Vollzeit an Hypersail arbeiten. Wie Ribigini betonte, arbeiten 20 Ferrari-Mitarbeiter in Vollzeit an dem Projekt, weitere 80 aus verschiedenen Abteilungen stehen zur Unterstützung bereit.
John Elkann (at right) and Giovanni Soldini have been friends for many years and have undertaken a few transatlantic crossings together
Was können wir also über dieses neue technologische Wunderwerk berichten? Zunächst einmal handelt es sich um eine „Full Foiling“-Yacht: Dank zweier am Bootsrumpf angebrachter Flügel, die das Boot bei hoher Geschwindigkeit aus dem Wasser heben, kommt der Einrumpf des Bootes nie (oder fast nie) mit den Wellen in Berührung, sondern gleitet buchstäblich über sie hinweg.
Das Hypersail-Boot, das im Jahr 2026 offiziell präsentiert wird, wird zu 100 % durch selbst erzeugte, nachhaltige Energiequellen wie Wind (wenig überraschend) und Sonne angetrieben. Zwar gibt es bereits „Full Foiling“-Segelyachten (wie z. B. beim America's Cup), doch Hypersail wird – wie der Name schon sagt – die derzeitigen Grenzen in Bezug auf Energieautonomie, Leistung und Innovation zu überschreiten.
Über die Yacht, die sich derzeit noch in der Entwicklung befindet, äußerte sich Eklann wie folgt: „Sie ähnelt eher einem Raumschiff als einem Boot … leistungsstark und schön.“
Die Entwicklung der neuen Segelyacht erfolgte vollständig im eigenen Haus. Etwa 90 % der Komponenten des Prototyps wurden im selben Werk in Maranello hergestellt, in dem auch Ferrari-Ikonen wie der Purosangue, der 12Cilindri, der Daytona SP3 und der F80 gebaut werden. An der Umsetzung der Vision arbeitet ein Team, zu dem Ingenieure von Ferrari, Soldini, der renommierte französische Schiffsarchitekt Guillaume Verdier und externe Partner gehören, die aufgrund der Überlegenheit der von ihnen angebotenen Technologien und Lösungen ausgewählt wurden.
Bei Hypersail handelt sich in erster Linie um ein Projekt im Langstreckenrennsport, das dem Cavallino Rampante eine neue Welt eröffnet – nämlich die der Hochseerennen. Dadurch steigert Ferrari seine Attraktivität und kann die DNA und das Erbe des Unternehmens alten und neuen Fans auf der ganzen Welt näherbringen. Schon bald werden die Herzen der Fans höher schlagen, wenn sie sehen, wie Ferrari auf seiner ersten Segelyacht das Großsegel setzt – die gleichen Emotionen, wie wenn ein Roter als Erster die Ziellinie von Le Mans überquert.