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60-Jahr-Jubiläum von Ferraris mit Mittelmotor

Sizilien  Jenseits der Targa

Nach unserem Besuch in Sizilien in einem F8 Spider, um dem ersten großen Sieg eines Mittelmotor-Ferraris zu huldigen, haben wir die italienische Insel erkundet, um zu erfahren, welche weiteren großartigen Straßen sie zu bieten hat...
Text – Ben Pulman
Fotos – Giuliano Koren und Richard Pardon
Video – Max Morelli

Sizilien ist untrennbar mit der Targa Florio verbunden.

Das Straßenrennen ist eine der ältesten und berühmtesten Motorsportveranstaltungen der Welt. Es feierte 1906 Premiere und ist damit älter als die 24 Stunden von Le Mans, die Carrera Panamericana und die Mille Miglia.
Die von Vincenzo Florio ins Leben gerufene Strecke hat sich im Laufe der Jahre verändert, am bekanntesten sind aber wohl die Konfigurationen ‚Grande‘, ‚Medio‘ und ‚Piccolo‘, respektive mit 148 km, 108 km und 72 km Länge. Alle drei Strecken führten durch den Gebirgszug der Madonie. Die engen Straßen mit Hunderten von Kurven erforderten ein unablässiges Schalten und waren, was Sicherheitsbarrieren, Zuschauerkontrollen oder Streckenposten betraf, nur dürftig ausgerüstet.

Einen Moment verschnaufen – wenn man das so nennen kann – konnten die Teilnehmer erst, wenn sie wieder auf Höhe des Meeresspiegels angekommen waren und mit Vollgas die sechs Kilometer lange Gerade in Richtung Buonfornello rasten. Dort erwartete sie die Boxengasse und der Beginn einer weiteren quälenden Runde...
Doch Sizilien hat noch sehr viel mehr zu bieten. Es ist eine Insel der Kontraste, und ihre Hauptstadt Palermo ist chaotisch, ja beinahe gnadenlos, wenn man mit dem Auto unterwegs ist. Doch davon abgesehen hat dieser Flecken Erde, der zwischen Europa und Afrika im Mittelmeer liegt, viel zu bieten. Sonnenverwöhnte Küstenstraßen führen um die zunächst hügelige und dann bergige Inselmitte, innerhalb von ein paar Stunden gelangt man von der Küste durch üppige Wälder zu einer riesigen, kargen Vulkanlandschaft.

Glücklicherweise haben wir mit dem F8 Spider in leuchtendem Giallo Modena den perfekten Begleiter für unsere Expedition...

DER VULKAN


Der Ätna dominiert das östliche Ende Siziliens, und taucht auf dem kurzen Weg vom italienischen Festland über die Straße von Messina imposant am Horizont auf. Seine Ausbrüche sind seit über 3.500 Jahren dokumentiert (die Aufzeichnungen gehören zu den ältesten der Menschheit) und er ist nach wie vor aktiv, auch 2021 wurden bereits vulkanische Aktivitäten verzeichnet.

Mitten in einem UNESCO-Weltkulturerbe gelegen, bedecken Basaltmassen weite Flächen der Hänge. Sie sind außerdem mit Flecken von grünem Laub gesprenkelt. Manche davon sind ausgewachsene Bäume, die den Verwüstungen eines Lavastroms entkommen sind und überlebt haben, an anderen Stellen sind kleine Triebe die ersten Anzeichen von neu erblühendem Leben.
Auch hier oben auf dem Ätna gibt es eine Straße, eine Schlange aus Asphalt, die im Kontrast zum dunklen Schwarz der Landschaft seltsam hell leuchtet und sich zum höchsten Gipfel Italiens südlich der Alpen hinaufwindet. Natürlich nicht bis ganz nach oben (im Winter können Sie sehen, wo sich die Lava in der Nähe des 3.326 Meter hohen Gipfels einen Weg durch den Schnee gegraben hat), aber die SP 92 führt vom Süden oder Osten her in die UNESCO-Stätte hinein und bringt Sie so weit hoch, wie Sie wollen. Für alle, die noch höher hinaus wollen, bieten lokale Guides Expeditionen für Abenteuerlustige an.

Wir selbst haben alles, was wir für unsere Zwecke brauchen: glatten Asphalt, schwungvolle Kurven, einen Turbomotor, dem der Höhenunterschied nichts ausmacht, und ein Dach, das sich öffnet und eine andere Atmosphäre freigibt. Auf dem Weg zum Gipfel hat uns der 720-PS-Motor mit seinem wohlklingenden Sound eingehüllt, doch nun, als wir anhalten, um den Blick zurück auf die zweitgrößte Stadt der Insel, Catania, zu genießen, werden wir in dieser unwirtlichen Umgebung von der völligen Abwesenheit von Leben mit ihrer absoluten Stille überwältigt. Die Aura hier oben ist anders, jenseitig, und auch der Geruch ist eigenartig anorganisch.

Die Einheimischen beeindruckt das wenig. Ganz weit unten geht das Leben auf Sizilien unvermindert weiter. Zeit, wieder in dieses Leben zurückzukehren...

DIE KÜSTE

Mit über 1.000 km Küste ist man auf Sizilien nie weit vom Meer entfernt. Und die Insel ist gleich von drei Meeren umgeben: dem Mittelmeer, dem Tyrrhenischen Meer im Norden zwischen Sardinien und dem italienischen Festland, und dem Ionischen Meer, auf dessen anderer Seite Griechenland liegt.

Entlang eines großen Teils der Inselküste führen die Straßen nahe an das glitzernde blaue Wasser heran, aber selbst beim besten Willen werden Sie sie wohl kaum ganz umrunden können. Am besten ist es, wenn Sie Ihre Fahrt mit einem Ziel als Highlight für Ihre Reise krönen. Das könnte das antike griechisch-römische Theater sein, das in der Nähe des Ätnas auf Taormina herabblickt, oder die berühmte Sandzunge an der Nordküste in der Nähe von Tindari, oder aber die imposanten weißen Klippen auf der Südseite der Insel bei der Scala dei Turchi.
Eine der besten Routen führt vom Nordwesten der Insel bis in die Nähe des Naturschutzgebiets Lo Zingaro. Sie können es vom Norden her bei San Vito Lo Capo oder im Süden bei Scopello besuchen und von dieser Halbinsel aus die Küstenstraße nach Trapani nehmen. Sollten Sie falsch ins Landesinnere abbiegen, ist das nicht weiter schlimm: Der Blick hinunter auf die Küstenstadt, wenn man sich vom historischen Erice nähert, ist bezaubernd. Auf beiden Straßen haben Sie volle Sicht auf das ruhige blaue Meer.

Wenn Sie darauf Lust haben, bieten Ihnen die Naturschutzgebiete Foce del Belice in der Nähe von Porto Palo oder Venidcari (unweit der auf einem Hügel gelegenen Barockstadt Ragusa) ebenfalls wunderschöne Strände. Wie auch immer Sie sich entscheiden: Die auf einer Seite von dem stets verlockenden Meer gesäumten Straßen erfordern ein anderes Tempo. Das einfahrbare Hardtop sollte verstaut werden, um einen angenehmen Kontrast zwischen der Wärme der Sonne und der Brise, die vom Meer her weht, zu erzeugen. Halten Sie regelmäßig an, und genießen Sie vor allem die Aussicht, die bis zum Horizont reicht.

DER WALD

Ganz anders, als man es von Sizilien erwarten würde, stehen dort die dichten Wälder des Nebrodi-Nationalparks. Der größte Nationalpark der Insel bietet eine kühle Atempause von der Hitze. Seine Fläche erstreckt sich von der nordwestlichen Seite des Ätnas bis zum Gebirgszug der Madonie, wo die Targa Florio stattfand.

Riesige Waldgebiete bedecken Berge und Täler, dazwischen liegen alte Dörfer und Klöster. In diese ruhigere Gegend Siziliens kommen Touristen gerne zum Wandern und Mountainbiken. Die Chancen stehen gut, dass sie die hier beheimateten Sanfratellano-Pferde und die schwarzen Nebrodi-Schweine zu Gesicht bekommen (deren Fleisch man für lokale Salami- und Schinkenspezialitäten verwendet).

Die Pferde kommen aus dem Wald, als wir anhalten, durch das Blätterdach dringt das gedämpfte Licht und tänzelt auf dem gelben Lack des F8 Spider. Es gibt zwei Strecken durch den Nebrodi-Nationalpark, die SS 289 und die SP 168. Beide Straßen sind vollkommen menschenleer und wir nutzen diese Chance, um die Leistungsfähigkeit des F8 Spider zu erproben.

Doch während der Ätna oder die Küstenstraßen den ständigen Blick auf die nahe Zivilisation freigeben, scheinen sich hier die Bäume an uns zu drängen. Nur selten gibt es einen Ausblick, selten eine Möglichkeit, etwas von der Gegend zu erkennen. Der einzige Orientierungspunkt ist das pechschwarze Band, das sich durch diesen grünen Urwald schlängelt.
Dieser Wald wirkt auf Sizilien völlig deplatziert und ist doch der perfekte Rückzugsort vom Rest der Insel. Die Hitze wird hier auf Distanz gehalten, und so wie es scheint, auch alles menschliche Leben. Wir sind fast ganz alleine hier draußen, unser einziger Begleiter ist gelb und begierig, seine Leistung zu zeigen.

Und das tut er dann auch: Die Intensität des entfesselten Motors ist immer wieder aufs Neue überwältigend, die Kraft zügellos. Das Schalten erfolgt flüssig. Der Sound hüllt uns gänzlich ein und erfüllt die offene Kabine. Die Unmittelbarkeit der Lenkung erfordert nur minimale Bewegungen der Handgelenke, während der rechte Fuß über die Pedale gleitet, und ruft die Leistung ab oder stoppt das Fahrzeug mit den kraftvollen Carbon-Keramik-Bremsen.

Es ist aufregend und betörend und auf einer Insel der Gegensätze die einzige Konstante.